Dieses Werk entstand aus den größten Ängsten eines künstlerischen Menschen heraus- der Angst vor dem weißen Papier und der unmenschlichen Maschine. Das Weiß steht für die Unbeschriebenheit, die uneingeschränkten Möglichkeiten, die Weiten der kreativen Spekulation und Utopie. In der Konfrontation damit schrieb Samuel Walther "256 Aphorismen für modularen Synthesizer". Die kurzen Fragmente treiben die Imagination dessen, was künstlich erschaffen werden kann, auf die Spitze, es geht um Musik im Grenzbereich unserer menschlichen Wahrnehmung. Sind diese Gedanken und Klänge zu schnell, zu hoch, zu komplex und zu abstrakt für uns Menschen oder gerade noch nicht? Können wir diese Musik noch verstehen, erleben und wahrnehmen oder ihr nur noch neugierig lauschen, weil sie nicht mehr für Menschen sondern für eine künstliche Intelligenz geschaffen ist?
"The White Page" ist ein Experiment und Versuch einer spekulativen Musik. Die Komposition entstand aus der Beschäftigung mit modularen Synthesizern (vorrangig von Xaoc Devices) und der damit verbundenen elektronischen Klangerzeugung. Die Technik der Bauteile ermöglicht es, Klänge zu erzeugen und zu formen, die menschlich nicht gespielt werden können. Der Kern der Arbeit ist es, diesen Grenzbereich auszuloten zwischen der menschlichen Wahrnehmung und der Unendlichkeit von utopischen Systemen und theoretischen Berechnungen.
Die "256 Aphorismen" sind stets im Zwischenraum des zu schnell, zu hoch, zu fein, zu klein, zu geringe Unterschiede, zu komplex, zu kurz, zu viel, zu dicht, zu mikro-strukturiert, zu perfekt, zu rein, zu seltsam, zu kalt, zu abstrakt, zu fremd oder eben gerade doch noch nicht. Klanglich geht es in den Studien darum, den Bereich zwischen Geste oder Geräusch, Welle oder Melodie, Spektrum oder Harmonik, Rhythmus oder Oberton, Punkt oder Dauer, Ton oder Rauschen, präziser Musik oder deformiertem Glitch auszuloten.
Der Untertitel "Aphorismen" ist hierbei eine Ablehnung an die spekulativen philosophischen Konzepte des Existenzialismus und
Systematiken wie der Rhizome/ Monaden oder Falten bei Deleuze und Leibniz. Denn "The White Page" lässt sich nicht wie ein Buch in konventioneller, chronologischer, geschlossener und binärer
Form erleben. Vielmehr erschaffen die Punkte/ Sätze/ Atome/ Fragmente ein Geflecht aus Zusammenhängen, Richtungen, Funktionen und Permutationen und sind dennoch, oder gerade dadurch,
monophon, organisch und wir fraktale Ableitungen voneinander.
Die rhythmische Anlage der 256 Aphorismen basiert auf 26 Modulen mit der Dauer von einer Achtel und 37 Modulen mit einer Dauer von zwei Achteln.
Kompositionsskizzen zu den rhythmischen Modulen
Verteilung der rhythmischen Module
Vorstudie zu rhythmischen Modulen
Häufigkeit der Rahmenintervalle
Darstellung der Tonräume sowie des Rahmenintervalls und Oktavumfangs.
Motivische Kernzellen I (Aphorismen 1-64)
Tonvorrat IV-VII
Analyse der Ähnlichkeiten und Überschneidungen IV-VII
Harmonik der Teile VIII-XV
Ähnlichkeiten und Überschneidungen von II und III
Skizzen zur Intervallik und Selbstähnlichkeit von IV-VI, sowie zur Harmonik von VII
Skizzen zur Gestaltung von melodischen Profilverläufen, mit Ausarbeitung der Permutationsmöglichkeiten. Bezogen auf "The White Page" Abschnitte I-III